MK:

Zum 100. Geburtstag von Hans-Reinhard Müller am 15.1.

Am 15. Januar 2022 würde Hans-Reinhard Müller (1922-1989) seinen 100. Geburtstag feiern. Nach einer einmaligen basisdemokratischen Intendantenwahl mit prominenten Mitbewerbern wie Ivan Nagel wurde Hans-Reinhard Müller 1973 als Nachfolger von August Everding Intendant der Münchner Kammerspiele.

In seiner Theaterkarriere war das der Höhepunkt einer sehr vielschichtigen Laufbahn, die er nach Schauspielunterricht bei Friedrich Kayssler in Berlin zunächst als Schauspieler begann. Der gebürtige Nürnberger wurde nach einem geisteswissenschaftlichen Studium in München von Erich Engel 1946 - 1948 an die Münchner Kammerspiele engagiert und arbeitete dann von 1948 -1960 am Bayerischen Staatsschauspiel, wo er auch Regie führte, stellvertretender Intendant, Leiter der Verwaltung und Koordinator der drei Bayerischen Staatstheater wurde. Bis 1969 war er in Freiburg Intendant der Städtischen Bühne. Anschließend leitete er bis 1973 die Otto-Falckenberg-Schule bevor er als neuer Intendant an die Münchner Kammerspiele kam. Müller hatte beim Publikum und der Kritik einen schweren Start. Auch weil er die von Falckenberg gepflegte Dramaturgie wieder aufgriff, literarisch anspruchsvolle Texte; von Autoren, die zu diesem Zeitpunkt nur geringe Bekanntheit hatten (O’Casey, Sternheim, Lasker-Schüler, Valle-Inclán) zu präsentieren und diese im bundesdeutschen Theater neuen Regisseuren (Schaaf, Emmerich, Besson, Dresen) anzuvertrauen. Die Wende kam 1975 mit George Bernard Shaw’s „Der Arzt am Scheideweg“ in der Inszenierung von Rudolf Noelte, die zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Der Durchbruch für Müllers Intendantenzeit war dann aber 1976 das Engagement von Dieter Dorn als Oberspielleiter und Ernst Wendt als Chefdramaturg und Regisseur. Beide erarbeiteten mit ihren völlig konträren Inszenierungsstilen zum Teil aufsehenerregende Aufführungen, wovon während Müllers Intendanz vier zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurden (Dorn: „Minna von Banhelm“, „Groß und Klein“; Wendt: „Lovely Rita“, „Torquato Tasso“). Mit Dieter Dorn und Ernst Wendt hat Hans-Reinhard Müller ein spannendes und streitbares Theater auf hohem Niveau wieder nach München gebracht. Nach zehn Jahren Intendanz legte er 1983 sein Amt nieder, setzte sich nachdrücklich für Dieter Dorn als seinen Nachfolger ein und arbeitete wieder als freier Schauspieler und Regisseur.

1989 starb Hans-Reinhard Müller mit 67 Jahren in München. Ernst Wendt dankte ihm kurz vor seinem eigenen Tod in seinem letzten, 1985 erschienenen Buch: “Hans-Reinhard Müllers Ehrgeiz, anderen zur Entfaltung ihrer Talente zu helfen, hat mir, während seiner Intendantenzeit in München, die bisher geschlossenste und produktivste Arbeitsphase ermöglicht.”

Kalenderblatt von Michael Wachsmann