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MK:

Boden

Mein lieber Schatz, wir werden keinen Boden mehr unter den Füßen haben, wir werden selber Boden sein, ist das nicht fein! Ja, nicht nur dich, mein Liebster, gibt es nicht mehr, es gibt, da es dich nicht mehr gibt, keine Menschen mehr auf der Welt, es muß aber welche geben, irgendwo!, wenn auch nicht für mich. Ja, genau, und die Übriggebliebenen, die zwar vorhanden sind, die man aber nicht sieht, da man natürlich auch sonst nichts mehr sieht, was soll man in der Erde schon sehen!, die können sich jetzt alle selber ficken und durch eigene Kraft auch selbst befruchten, wenn sie droben, ohne Erde, überhaupt noch Lust darauf haben, jedenfalls ist keiner mehr eines anderen bedürftig, er ist nur mehr er selbst, und er ist sich selbst zur Genüge bekannt. Gähn. Hätte er gewußt, wie er sein würde, wie er ausfallen würde, hätte er sich doch nie kennenlernen wollen!, und so hat er zum Freund auch nur sich selbst, das heißt, er hat jetzt auch keinen Freund mehr und keine Freunde, nur Fremde, die er aber zum Glück nicht sieht und daher auch nicht kennenlernen muß, und so, allein, unsichtbar und was weiß ich, was noch nicht alles, so ist das noch nicht alles, und so erzeugt sich der Mensch, der einzige, der nur noch sich selbst bekannt, sich zu sich selbst bekennt und daher nur noch mit sich selbst befreundet ist, erzeugt er sich selbst als den alleinigen seligen heiligen Gott.

– Elfriede Jelinek, „Asche“